Schachfigur

Werbung der Anwaltskanzlei KSP: "Wir sind Deutschlands führende ­Anwalts­kanzlei für Inkasso und juristische Mengen­prozesse"

Schach scheint das Spiel zu sein mit dem sich die Anwaltskanzlei KSP identifiziert. Zumindest könnte man dies in das Werbefilmchen auf der KSP-Homepage hinein interpretieren. Dort wechseln sich gläserne Hochhausfasaden mit Schachfiguren, Containerterminals, Anzugträger, Produktionsstraßen, LAN-Kabel und weiteren Symbolen aus der Wirtschaft und dem Finanzwesen ab. Darüber schwebt die Botschaft: "Mengen sind unsere Expertise" und vermittelt ganz unverblümt: wir kümmern um das große Geschäft.

Wie es scheint, gehört auch das Kleinvieh zum großen Geschäft - vor allem dann, wenn es sich automatisieren lässt und statt dem teuren juristisch ausgebildeten Personal ein billiger Computer die Kasse zum klingeln bringt. So wurde ich zur schwarzen Schachfigur und sah mich eines Morgens mit einer maschinell erstellten Schreiben konfrontiert. Darin war zu lesen, dass KSP im Auftrag von dpa Pictuer-Alliance GmbH arbeitet und Schadensersatz fordert. Schwarz wird vorgeworfen ein Bild verwendet zu haben, für welches der Mandant von KSP "das ausschließliche Nutzungsrecht im Sinne des Urhebnerrechtsgesetzes hat" (Zitat aus dem Schreiben).

Der Schadensersatz (berechnet auf Grundlage der marktüblichen Vergütung) beläuft sich auf € 90,-. Hinzu kommen Dokumentationskosten von € 85,-, Zinsen von € 0,10 und natürlich die Rechtssanwaltsvergütung € 63,70 sowie die Auslagenpauschale (wahrscheinlich für Papier, Tinte und Porto) von € 12,74. Summa summarum € 251,54, fällig in vierzehn Tagen. Aber immerhin der tröstende Hinweis, dass die Angelegenheit mit fristgerechter Bezahlug ihre Erledigung findet. Nach ein wenig Recherche war mir bewusst, was ich schon von Anfang an hätte wissen können: Als Programmierer mit einer Anwaltskanzlei streiten zu wollen, gleicht dem Versuch des schwarzen Bauerns die weiße Dame zu Fall zu bringen. Also griff ich ins in Portemonnaie und opferte den Bauern - fristgerecht.

Breitet man die Zahlen auf dem Spielbrett aus und betrachtet sie genauer, fällt auf, dass der Löwenanteil nicht dem weißen König, sondern der Dame zugute kommt. Der König-Kunde selbst erhält nur den Schadensersatz - und davon sicher auch nicht den vollen Betrag. Das meiste geht an die Dame, die natürlich auch der Hauptakteur in diesem Spiel ist. Aber wenn die Dame auch noch so geschäftig war, so wurde doch kein Mehrwert geschaffen. Im Gegenteil, die Kosten sind für Verwaltung und Dokumentation der selben entstanden. Kosten für Schwarz und Gewinne für Weiß: Kostengewinne. Als Informatiker habe ich aber den starken Verdacht, dass dies alle automatisierte Prozesse sind, die der weißen Dame ermöglichen tausende dieser Spiele täglich zu spielen.

Wie es aussieht ist Schach eher was für KSP als für mich und ich habe nur eine Chance das Spiel nicht zu verlieren: nicht hineinzugeraten. Gewinnen kann ich es nicht.

Nachtrag zur Urheberrechtsverletzung: Ich kann nicht mehr nachvollziehen woher das betreffende Bild kam. Ich habe es sicher nicht gekauft, aber normalerweise prüfe ich welche Lizenzbedinungen hinter den Bildern stehen und ob ich sie verwenden darf. In Zukunft werde ich das wohl noch akribischer tun müssen.

6. Nov. 2022 (23:29) | gERD Schaufelberger

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